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Happy New Year

Und jährlich grüßt das Murmeltier. Fitnessstudios, Diätpläne, Schlankheitsprodukte, Nikotinentwöhnung, Alkoholentzug und Coachingangebote zur Selbstoptimierung haben Hochkonjunktur. Der ganz normale Neujahrswahnsinn. Alle haben sie wieder gute Vorsätze. Gesünder leben und so. 

Und da die meisten, die dieses Spielchen mitspielen, eigentlich mit gesundem Leben nichts am Hut haben, haben sie es an Silvester nochmal ungeniert krachen lassen. Über 280-mal ging bei einem befreundeten Münchner Apotheker am Neujahrstag „die Pille danach“ über den Ladentisch. Er hatte seinen Vorrat vorsorglich aufgestockt. Im Rest der Stadt soll das hormonelle Verhütungsmittel schnell vergriffen gewesen sein. Nicht wenige schauten in die Röhre. Dort schmort jetzt der ein oder andere Braten. 

Das Geschäft mit den Neujahrsvorsätzen

Es gibt eine Riesenindustrie, die sich mit Neujahrsvorsätzen dumm und dämlich verdient. Und zwar jedes Jahr aufs Neue. Denn ihre Kunden sind zumeist Wiederholungstäter, da sie mit ihren Vorsätzen spätestens bis Fasching gescheitert sind. Warum klappt das mit den Neujahrsvorsätzen für gewöhnlich nicht? Zum einen sind zwei Drittel der Menschen von Natur aus eher willensschwach. Zum anderen ist der Termin ungünstig. Der erste Januar ist ein Tag, wie jeder andere. Energetisch, astrologisch oder klimatisch passiert da nichts. Wir befinden uns noch immer im Winterschlaf, draußen ist es kalt und dunkel und der Frühlingsanfang (20.03.25) ist noch weit entfernt. Das Einzige, was sich am ersten Januar verlässlich ändert, ist der Beginn des neuen Steuerjahrs. Somit ist Silvester eher eine Art Finanzamt-Party. Energetisch ist da kein Rückenwind zu erwarten, wenn man Veränderungen bewirken will. 

Abnehmen mit abnehmendem Mond

Für einschneidende Veränderungen sollte man sich am abnehmenden Mond orientieren. Bei abnehmendem Mond fällt jeglicher Verzicht deutlich leichter. Nicht umsonst wird Ebbe und Flut vom Mond gelenkt. Es gibt sogar eine Werwolfdiät, die auf diesem Prinzip beruht. Daher: Wer seine Gemüsesuppe schon wieder eingefroren hat, sollte sie erneut auftauen. Seit dem 14. Januar befinden wir uns im abnehmenden Mond. Jetzt dürfte das Süppchen besser schmecken. Zumindest bis zum 29. Februar. Dann ist wieder Neumond und in Asien beginnt das neue Mondjahr, das Jahr der Schlange, das von circa 2,5 Milliarden Asiaten gefeiert wird. Das Datum ist beweglich und liegt jedes Jahr zwischen dem 21. Januar und dem 21. Februar. Der Neujahrstag findet immer am zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende statt.

Mit Fasten haben Chinesen nichts am Hut

Die Chinesen beginnen das neue Mondjahr (vom 29.01.2025 bis 16.02.2026), das Jahr der Holzschlange, mit einer zweiwöchigen Fressorgie, die am 12. Februar mit dem Laternenfest endet. Danach wäre wieder ein guter Zeitpunkt, um zu fasten, aber Chinesen haben mit Fasten nichts am Hut. An Trauertagen verzichten sie gelegentlich mal für einen Tag auf Fleisch und essen nur Gemüse. Natürlich verdünnt mit Hühnchen. In einem Land, in dem vor 50 Jahren noch Menschen am Hungertod gestorben sind, wird eher der Völlerei gefrönt. Für mich seit jeher schwer nachvollziehbar, welche Riesenportionen meine chinesischen Tischnachbarn verdrücken. Und wie sie es verdauen, ist mir erst recht ein Rätsel. Sei an der Stelle erwähnt, dass der Besuch einer öffentlichen chinesischen Toilette durchaus traumatisierend sein kann. Allein schon, weil 57 Millionen Haushalte keine eigenen Sanitäreinrichtungen haben.

Siehe dazu auch: https://www.armin-lissfeld.com/scheisse-darf-nicht-stinken/

Man stelle sich vor, Weihnachten, Silvester und Ostern fallen zusammen und multipliziere die Freude darüber mal drei, dann hat man in etwa eine Vorstellung davon, was in der Volksrepublik während des Frühlingsfests abgeht. Für viele ist es der einzige Urlaub im Jahr und da rund ein Viertel der Chinesen beruflich bedingt fernab ihres Geburtsortes leben, ist es für viele die einzige Gelegenheit im Jahr, ihre Familien zu besuchen. Was sich daher auf Chinas Straßen und Schienen abspielt, ist bar jeder Beschreibung. Für mich Grund genug, das Land rechtzeitig zu verlassen. 

Neujahr in der Sacred Heart Cathedral Guangzhou

Ein Sechser in der Genlotterie

Ja, ich bin gerne Deutscher, das merke ich in einem Land, in dem man mir täglich zu meiner Staatsangehörigkeit gratuliert, ganz besonders. Am Neujahrstag ist mir bei einer Bergwanderung eine Chinesin begegnet, die einen regelrechten Freudentanz aufführte, weil sie die Begegnung mit mir für ein gutes Omen fürs neue Jahr hielt. Deutsch zu sein ist in den Augen vieler Chinesen wie ein Sechser in der Genlotterie. 

Sie stehen auf Deutsche, weil wir für sie ganz viel von dem verkörpern, was der Chinese anstrebt, nämlich Fleiß, Disziplin und Qualität. Zum anderen, weil sie unser Sozialsystem beneiden. „Warum sorgst du dich um deine Zukunft? Dein Staat zahlt doch für dich, wenn du Probleme hast.“ Wenn man in China morgen Sozialhilfe nach deutschem Vorbild einführen würde, würden übermorgen die meisten nicht mehr zur Arbeit erscheinen. Einfach, weil die wenigsten aus Spaß oder Leidenschaft arbeiten. 

Drachenbabys muss man sich leisten können

Und da gerade Krise herrscht, finden selbst promovierte Studienabgänger oft keine Anstellung. So hat mich unlängst doch tatsächlich ein Doktor mit dem Taxi durch Shanghai chauffiert. Dabei hat seine Familie bestimmt mehr als 500.000 Euro in seine Ausbildung investiert. Kinder sind teuer in China. Das kann man sich in den Metropolen kaum noch leisten. Die Geburtenzahlen sind rückläufig. Selbst im scheidenden Drachenjahr. 

Der Drache ist das beliebteste Tierkreiszeichen der Chinesen, er steht in ihrer Mythologie für Glück, Güte, Intelligenz und Reichtum. In den Drachenjahren (1940, 1952, 1964, 1976, 1988, 2000, 2012, 2024) wurden daher in der Vergangenheit überdurchschnittlich viele Babys geboren. Diesmal wurden keine Rekorde verzeichnet. Meine Nachbarin erklärte mir, dass sie ihre Schwangerschaft extra hinausgezögert hätte, weil Boomer-Generationen noch schwerer und kostspieliger in den Top-Kindergärten und -Schulen unterzubringen sind. Sie glaubt, dass sie mit einem Schlangenbaby besser bzw. günstiger fahre, zumal die Schlange in der chinesischen Mythologie wegen ihrer Form gerne als „kleiner Drache“ bezeichnet wird. 

Rote Strapse bringen Glück

Die Schlange steht für Weisheit, Charme, Eleganz und Transformation. Menschen, die im Jahr der Schlange (1941, 1953, 1965, 1977, 1989, 2011, 2013, 2025) geboren sind, gelten als intuitiv, strategisch und intelligent. Dennoch gilt für Schlangen im Schlangenjahr Vorsicht walten zu lassen. Das jeweilige Tierkreiszeichen ist im eigenen Jahr nämlich nicht optimal aufgestellt. Vor allem gesundheitlich. Man kann sich mit verschiedenen Feng-Shui-Utensilien schützen. Aber vor allem sollte man im eigenen Tierkreiszeichenjahr immer etwas Rotes mit Hautkontakt tragen. Am besten Unterwäsche. In der Silvesternacht gilt das für alle. Die gemeine Chinesin startet daher mit roter Reizwäsche ins neue Jahr.

Merke: Niemals ohne rote Schlüpfer!

Meine roten Dessous haben mir im Drachenjahr gute Dienste geleistet. Ich bin vor größeren Katastrophen verschont geblieben, bis ich in der Vorweihnachtszeit so leichtsinnig war, die roten Schlüpfer gegen schwarze Thermounterwäsche einzutauschen und stattdessen eine rote Nikolausmütze trug. Prompt verbrachte ich den ersten Weihnachtstag beim Zahnarzt. Mit einer mehrstündigen Wurzelspitzenresektion. Danach natürlich ordentlich Antibiotika. Natürlich einhergehend mit Alkoholverbot. Dry Christmas. Vielen Dank auch. So viel zum Thema Chinese Zodiac.

Im Schlangenjahr soll es für mich wesentlich besser laufen. Das sagen nicht nur die Sterne, sondern auch mein chinesischer Hellseher am Liurong Tempel von Guangzhou. Wir kommunizieren zwar nur mit Händen und Füßen, aber dank international verständlicher Gesten für Geld und Sex, blicke ich zuversichtlich auf das neue Schlangenjahr.

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