Es hatte geregnet und ich hatte vergessen, das Fenster zu schließen. Der Anblick der grau-braunen Kruste auf meinem Wohnzimmerboden, am nächsten Morgen, ließ mich erschaudern. Was war das? War ich in meinen früheren Blog-Ausgaben vielleicht etwas zu voreilig gewesen mit der Verharmlosung der hiesigen Luftverschmutzung? Das sah nicht gesund aus. Es hatte Dreck geregnet. Smog in Wasserform. Gesehen hatte ich ihn in zwei Monaten nur einmal. Aber das Wasser, dass da vom Himmel fiel, hatte ich natürlich nie untersucht. Ok, Peking, das gibt dann leider doch einen kleinen Minuspunkt in der Bewertung. Und auch noch einen für den ganzen Plastikmüll, den ihr verursacht. Löblich allerdings, dass der nicht auf der Straße herumliegt. So saubere Straßen und Plätze suchen ihresgleichen.
Vor allem die U-Bahnen sind picobello. Das Netz funktioniert vorbildlich, auch wenn dort mitunter Nahkampf angesagt ist. Aber alles besser als Taxifahren. Für deine ignoranten und unverschämten Taxifahrer bekommst du auch noch einen halben Punkt abgezogen, Peking. Halb, weil Taxifahrer ja per se eine schwierige Spezies sind und man dir das somit nicht ganz zur Last legen darf. Aber trotzdem: In einem Land, in dem einem so viel Herz und Mitgefühl begegnet, fällt es halt umso mehr auf, wenn ein paar aus der Reihe tanzen.
Lost in Smartphone Translation
Zwei fette Minuspunkte gehen an die Entwicklerbranche von chinesischen Übersetzungs-Apps. Mein Gott, was habe ich euretwegen gelitten. Gerade eben erst, als ich die Kellnerin via iPhone bat, mir den gleichen Tisch für morgen um 19 Uhr zu reservieren. Antwort: Wir haben keine Tische für 19 Menschen. Ihre Kollegin hatte ich gebeten, mir die Essensreste für zuhause einzupacken. Sie bzw. ihr Smartphone: „Ich kann nicht mit ihnen nach Hause gehen, ich muss arbeiten.“ Sie hatte darüber gelacht.
Das hat die Dame, die mich vor ein paar Wochen via Übersetzungs-App in einem Café angesprochen hatte, nicht. Sie hatte meinen Bartwuchs gelobt, schien also interessiert, weswegen ich nicht zögerte, sie an meinen Tisch einzuladen. „Hast du Lust, mir Gesellschaft zu leisten?“sprach ich in mein iPhone. Ganz simpel. Dachte ich. Für die chinesische Übersetzung, die mein iPhone ausspuckte, hätte sie mir fast eine gescheuert. Vielleicht hätte ich das Wort LUST lieber weglassen sollen. Ich weiß es bis heute nicht. Aber wie auch immer, ihre aufgeregte Antwort war klar und deutlich auf ihrem Smartphone zu lesen: „Ich empfehle ihnen, sich mit den Gepflogenheiten des Landes auseinanderzusetzen, bevor sie es bereisen. Dann wüssten sie, dass sich so etwas nicht gehört. Schämen sie sich.“ Bähm. Das saß genauso wie eine Ohrfeige. Ich hatte keine Chance irgendwas zu erklären, so schnell wie sie verschwunden war.
Da ich derlei, mehr oder minder, komische Situationen leid bin, vermeide ich die Nutzung dieser App mittlerweile. Stattdessen habe ich mir ein paar chinesische Grundkenntnisse angeeignet, nutze Körpersprache und lese zwischen den Zeilen. Das klappt relativ gut. Und wenn ich mir unsicher bin, dann reime ich es mir irgendwie zusammen. So hat mir mein Schwimmtrainer aus dem Olympiazentrum erzählt, dass Jason Statham unlängst da gewesen sei. Er zeigte mir Bilder vom Hollywoodstar, quasselte auf mich ein und gestikulierte, wie klein der Hollywoodstar doch gewesen sei.
Also verglichen mit mir, sei er ein Zwerg. Quasi eine Lachnummer. Und seinen komischen Schwimmgesten nach zu urteilen, hatte der Actionheld im Wasser wohl keine allzu gute Figur abgegeben. Ja, Jason Statham hätte gar die Seepferdchen-Prüfung nicht bestanden. Oder zumindest hätte er dabei viel schlechter abgeschnitten als ich. Irgendwie so in der Art.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass er eines von beiden meinte. Und die Empfangsdame, die kichernd auf das glatzköpfige Jason-Foto deutete, gab mir zu verstehen, dass Männer ohne Haare für sie vollkommen lächerlich wären. Sei erwähnt, dass weiße Männer hier zwar hoch im Kurs stehen, aber mit Bart umso mehr. Einfach, weil dem gemeinen Chinesen kein Bart wächst.
Hier als weißer Mann ohne Bart herumzulaufen, ist so, als würde man seinen Porsche rosa lackieren und mit Automatikgetriebe ausstatten. Daher: Pech gehabt, Jason. Die freundliche Dame im Schwimmbad konntest du nicht beeindrucken. Sie erklärte mir klar und deutlich, in allerbestem Mandarin, dass du, verglichen mit mir, das reinste Weichei bist. Ja, Leute, so einfach geht Chinesisch. Wofür brauche ich virtuelle Dolmetscher? Für derlei Loyalität gegenüber dem dritten Ersatz-Maskottchen gibt’s auf jeden Fall einen fetten extra Punkt, Peking.
Zehn Punkte für Kinderliebe
Für euer sensationelles Essen gibt’s drei Punkte, liebe Chinesen. Und nochmal einen extra Punkt dafür, dass ihr den Szechuan-Pfeffer erfunden habt. Und vielleicht auch noch einen dafür, dass man hier getrost löffelweise Knoblauch essen kann, ohne dass einem schlecht wird. Keine Ahnung, woran das liegt. Aber vor allem gibt’s zehn Punkte dafür, wie ihr mit euren Kindern umgeht. Kinder erfahren sehr viel Aufmerksamkeit.
Wo immer jemand mit Kind auftaucht, wird er mit wohlwollenden Blicken und Kommentaren gewürdigt. Ob das die Auswirkungen der Ein-Kind-Politik sind, vermag ich nicht zu beurteilen, für mich sieht es einfach nach Kinderliebe aus. Quengelnde Kinder werden unbedingt ernst genommen, sodass jedes Theater im Keim erstickt wird. Niemals würde man ein Kind in der U-Bahn stehen lassen. Einem müden Kind im Restaurant wird sofort ein Schlafplatz geschaffen. Die einzigen weinenden Kinder, die ich gesehen habe, weinten vor Schmerzen, weil sie gestürzt waren. Und das verursachte schon einen kleinen Volksauflauf. Die Kinder scheinen für mich die wahren Gewinner des hiesigen Systems zu sein. Und das kann ja dann mal nicht so schlecht sein.
Hahaha great analogy between being a beardless white man in China and painting the Porsche pink and changing the transmission to auto HAHAH I have to testify that it is true!
Big hug from Brazil