Zurzeit heißt es oft, dass die Weight Watchers und die Anonymen Alkoholiker sich nach Corona wahrscheinlich großen Zulaufs erfreuen dürften. Angesichts meines eigenen Ranzens und vor allem des breiten Grinsens meines Spirituosenhändlers, könnte da schon was dran sein. Meinem Alkohol-Dealer rennen sie aktuell die Bude ein – nach Corona bräuchte er erstmal Urlaub, wie er mir erklärte. Sei ihm vergönnt – hoffentlich darf er ihn dann auch umsatzgemäß in der Karibik verbringen.
Und plötzlich trainieren sie alle für die Olympiade
Ich denke, dass die nächste Olympiade genauso von Corona profitieren könnte. Angesichts all der ambitionierten Freizeitsportler, die sich derzeit in Kompaniestärke auf den Grünflächen tummeln, könnte sich die Verschiebung der Spiele noch als Segen für unsere Olympiamannschaft herausstellen. Bis zum nächsten Jahr könnten da ein paar wertvolle neue Talente zur Auswahl stehen. Gut, das Gros der Freizeitsportler hat, angesichts ihres Laufstils, offensichtlich vorher noch nie Sport getrieben, aber trotzdem rennen aktuell auch ein paar echte Top-Athleten durch die Pampa. Am späten Nachmittag ist es aufgrund des Andrangs und der rasanten Tempi der Hochleistungssportler nicht ungefährlich am Münchner Isarufer. Es ist der reinste Slalomlauf. In zwei Kollisionen war ich schon verwickelt. Ist Gott sei Dank glimpflich ausgegangen, nicht auszumalen, was einem derzeit in einem Krankenhaus blühen würde, wenn man mit so etwas Banalem wie Knochenbruch oder Platzwunden eingeliefert wird. Womöglich würde ich tagelang auf dem Gang rumliegen, bis ein Corona-Zimmer frei wird und mir zwischenzeitlich ganz andere Krankheiten einfangen. Nein, das ist nichts für ein zartes Seelchen wie mich.
Antizyklisches Training
Ich habe mein Training daher der Rushhour angepasst und trainiere lieber zu Zeiten, in denen die anderen noch im Homeoffice schwitzen. Das ist deutlich sicherer und es gibt auch keine Spanner, die sich darüber lustig machen, wenn ein Corona-Moppe nach seiner Laufrunde nackig in die Isar springt. Ja, man kann tatsächlich wieder in der Isar baden. Das Wasser war nie klarer und sauberer. Es dürfte mittlerweile sogar wieder für Olympioniken geeignet sein. Bisher galt das Isarwasser als zu drogenverseucht, als dass ein Athlet, der sich regelmäßigen Dopingtests unterziehen muss, ein Bad darin hätte wagen können.
200 kg Koks schnupfen die Münchner pro Jahr
Wissenschaftliche Wasseruntersuchungen eines Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung hatten einst „erhebliche Mengen“ von Kokain und Abbauprodukten im Wasser gemessen, die über den Urin der Kokser in der Isar gelandet waren. Auf Basis dieser Tests wurde hochgerechnet, dass jährlich angeblich über 200 Kilo durch die Nasen der Münchens Schickeria wanderten. Das ist jetzt vorbei. Aufgrund der Grenzschließungen und des daraus resultierenden Nachschubproblems, dürften die Reserven des weißen Pulvers mittlerweile aufgebraucht sein, sodass man zwar immer noch im Urin der Schickeria badet, aber zumindest ist dieser jetzt Doping-technisch unbedenklich.
Aale vertragen kein Kokain
Das dürfte vor allem den gemeinen Flussaal freuen. Aale mögen nämlich kein Kokain. Die Weltnaturschutzunion IUCN hat ihn längst auf der Roten Liste, als eine vom Aussterben bedrohte Spezies eingestuft. Nicht nur, weil er überfischt ist, sondern auch, weil die Gewässer rund um die europäischen Metropolen mit Kokain verseucht sind. In Amsterdam und Barcelona sogar noch mehr als in München.
Forscher an der Universität Neapel Frederico hatten infolge ein paar ethisch grenzwertige Testreihen durchgeführt und herausgefunden, dass sich das Koks im Fettgewebe der Fische ablagert, was wiederum den Hormonhaushalt der Tiere durcheinanderbringt. Die Haut und der Darm verdicken sich. Der Schleim auf der Haut nimmt ab, sodass diese anfälliger für Parasiten und Wunden wird. Außerdem werden die Aale verhaltensauffällig und – wer hätte das gedacht – hyperaktiv.
Covid tut den Aalen gut
Zudem lagert sich das Koks auch im Gehirn, in den Kiemen und den Muskeln ab. Sie sind daher zu schwach und auch zu verwirrt, um ihren Weg zu den Laichplätzen zu finden. Da europäische Aale zum Laichen üblicherweise mehrere Tausend Kilometer in den Sargassosee in den Osten Floridas zurücklegen müssen, erleiden sie unterwegs auch noch einen Kokain-Entzug, da es im Meerwasser kein Kokain gibt. Viele Aale verenden daher völlig geschwächt auf halber Strecke. Wissenschaftler appellieren deswegen seit langem, dass Kläranlagen Drogen und deren Rückstände besser aus dem Abwasser filtern sollten. Das passiert dank Corona jetzt auf ganz natürliche Art und Weise. Vielleicht sind ja am Schluss nicht nur die Weight Watchers und die Anonymen Alkoholiker, sondern auch die Aale die größten Krisengewinnler. Und da sich das Wort Schickeria aus dem Jüdischen schickern ableitet, was soviel wie sich betrinken heißt, muss man sich um das Aussterben dieser Spezies auch keine Sorgen machen.