„Ab sofort dürfen sie nichts mehr durch die Nase zu sich nehmen.“ „Wie bitte?“ „Ich meine, sie dürfen nichts mehr durch die Nase konsumieren.“ „Sie meinen Drogen?“ „Ja.“ „Ich nehme keine Drogen.“ „Sie können gerne Drogen nehmen, aber bitte nicht durch die Nase, sonst war meine Arbeit umsonst.“ Meine HNO-Ärztin verstand offenbar keinen Spaß, wenn es um ihre Nasen geht. Und meine Nase gehörte nach der vorgenommenen Nasenscheidewandkorrektur jetzt offenbar ihr. Und da der Anästhesist eine rekordverdächtige Menge an Propofol gebraucht hatte, um mich in Vollnarkose zu versetzen, war man wohl von einem kleinen Drogenproblem meinerseits ausgegangen.
Ich brauchte eine Weile, um zu kapieren, denn auch drei Wochen nach dem Eingriff lief ich noch immer mit angezogener Handbremse durch die Gegend. Scheiß Propofol! Wie kaputt muss dieser Michael Jackson gewesen sein, dass er sich das Zeug aus Spaß reinpfiff? Vielleicht war er durch seine Nasen-OP angefixt worden? Und da er infolge auch nichts mehr schnupfen durfte, spritzte er es sich unter die Fußnägel. Schöne Aussichten! Vielen Dank auch, Frau Doktor.
Tunesien ist kein Drogen-Eldorado
In Tunesien ist man vor Drogen-Rückfällen denkbar sicher. Das Land ist so restriktiv, dass es kaum Drogen zu geben scheint. Ich hatte ein paar Jungs am Strand um was zu Rauchen gebeten, weil mir meine Nase so wehtat. Für meine 50 Dinar (ca. 15 Euro) setzte sich ein Großkommando, bestehend aus fünf Mann, mit Spähern, Fernglas, Moped, Pfeif-Codes und ein dressierter Affe, in Bewegung, die mir einen ungefähren Eindruck davon vermittelten, wie riskant es in Tunesien ist, mit Dope zu handeln.
„Für uns interessieren sich nicht mal die Chinesen.“
Der Kurier kam nicht, wie erwartet, mit einer prall gefüllten Tasche zurück, sondern zog eine kleine Plombe aus der Backentasche, in der sich ein mickriges halbes Gramm Haschisch befand. Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen. „Ja, ist scheiß teuer, ich weiß, tut mir leid. Aber unser Land ist so arm, wir haben nicht mal eine eigene Drogenproduktion. Und was wir aus Marokko bekommen, wandert durch so viele Hände, dass es wahrscheinlich teurer ist als in deiner Heimat. Eigentlich gibt es in Tunesien gar nichts, was sich wirtschaftlich irgendwie lohnen würde. An uns haben nicht mal die Chinesen Interesse.“
Der Duft von verfaulten Eiern
Ich war quasi als Reha-Maßnahme nach Tunis geflogen, weil Salzwasser und Meeresluft meiner Nase guttun würden, wie es hieß. Sei an dieser Stelle erwähnt, dass ich von Nasen-OPs unbedingt abrate, wenn diese nicht zwingend medizinisch erforderlich sind. Allein schon, weil danach wochenlang alles nach verfaulten Eiern stinkt. In einem Land wie Tunesien, in dem es schwefelverseuchte Orte gibt, in denen es ohnehin nach verfaulten Eiern riecht, dann auch nicht weiter schlimm.
Keine Teslas.
Mit Umweltschutz oder auch nur Hygiene haben sie es nicht so. Zumal es immer noch ein paar ländliche Regionen ohne konstante Strom- und Wasserzufuhr gibt. Ja, selbst in Ballungsräumen wird das Wasser regelmäßig über Nacht abgestellt, um die knappen Ressourcen zu schonen. Die privaten Badestrände sind tadellos, die öffentlichen sind voller Müll. Die Menschen haben andere Sorgen als sich um die Umwelt zu sorgen. Das Gute daran: Der Anblick von Teslas bleibt einem erspart. In ganz Tunis gibt es nur zwei Ladestationen.
Tunesisches Sprichwort: „Freude dauert sieben Tage, Traurigkeit aber ein Leben lang.“
Der Kellner, der mir morgens schon mehrfach das Frühstück serviert hatte und den ich beiläufig fragte, wie es ihm denn heute gehe: „Was soll ich sagen? Ich arbeite und ich schlafe. Mehr hat das Leben für mich nicht zu bieten. Ich ertrage es.“ Zumindest hat er Arbeit. Ein Drittel der jungen Tunesier haben keine Arbeit. Weil sie keine finden, oder auch weil sie nicht für 250 Euro Monatslohn von früh bis spät buckeln wollen.
Die Alten schuften, die Jungen haben Rücken.
Said, der mich vom Flughafen Tunis-Carthage ins 70 Kilometer entfernte Hammamet fuhr, ist mit seinen 65 Jahren zwar schon lange in Rente, aber sitzt trotzdem an sieben Tagen die Woche am Steuer. Weil sonst seine Rente nicht für die ganze Familie reichen würde, wie er mir erklärte, er müsse nämlich seine beiden erwachsenen Söhne (26 und 24) mitfinanzieren. „Sie finden keine Arbeit. Der ältere hat Rücken und darf nicht schwer heben und der Jüngere überlegt noch, was er mal werden will.“ Nichts Ungewöhnliches, wie mir mein neuer Kumpel Ayoub erklärte. „Die Alten schuften, und die Jungen haben Rücken.“
Saulus und Paulus geben sich die Klinke in die Hand.
Der Dieb, der mir die Tasche aus dem offenen Autofenster klaute, war so flink, dass ich es erst mitbekam, als zwei andere Typen ihm hinterherrannten und mir meine Tasche zurückbrachten. Wohlgemerkt ohne dafür einen Belohnung zu verlangen. Eine andere Attacke in einer düsteren Seitengasse von Tunis konnte ich dank meines Boxtrainings selber abwehren. Und den zwei Jungs, die mich nachts aus dem Auto ziehen wollten, weil ich ihnen die Vorfahrt genommen hatte, bin ich durch einen Tritt aufs Gaspedal entkommen. Ja, im Straßenverkehr versteht der Tunesier keinen Spaß. Ansonsten waren meine Begegnungen überwiegend positiv. Unterm Strich ist man hier trotzdem sicherer und vor allem kostengünstiger unterwegs als in Süditalien.
Wenn der Muezzin zum Gebet ruft
Merke: Niemals Freitags anreisen!
Von einer Anreise am Freitag ist dringend abzuraten. Vor allem, wenn man so dumm ist wie ich und sich in der Medina direkt neben der Moschee einmietet. Der Muezzin ruft nämlich am Freitag nicht fünf-, sondern sechsmal zum Gebet. Beginnend nachts um drei. Das ist nur mit Ohropax und viel Alkohol zu ertragen. Am Freitag darf jedoch kein Alkohol verkauft werden. Und trinken sollte man ihn natürlich auch nicht. Aber wenn man sich den Andrang in den Spirituosenläden am Donnerstagabend anschaut, scheint das kaum jemand zu interessieren. Sei erwähnt, dass Tunesiens Weinkultur bis ins antike Karthago zurückreicht und man für schmales Geld sehr passable Tropfen bekommt.
Geld regiert!
Wenn man weiß wo und wie, bekommt man in Tunesien auch am Freitag Alkohol. Generell gilt: Geld regiert! Auch bei Problemen mit der Polizei. Und erst recht im schicken Gammarth, dem Villen-Vorort von Tunis. Im hippen Yuka Beach Club hatte ich mit einem befreundeten deutschen Textilunternehmer, der in Tunesien produziert, ein Mode-Shooting anberaumt. Ja, man muss nicht in Asien produzieren, in Tunesien verstehen die Leute auch ihr Handwerk. Und zwar kosteneffizient.
Warum lieber Leinen als Jeans?
Weil Jeans ein Mega-Umweltkiller sind. Der gesamte Herstellungsprozess verschlingt eine unglaubliche Menge Ressourcen, Pestiziden und giftigen Stoffen. Rund 8000 Liter umfasst der Wasserfußabdruck einer Jeans mit 800 Gramm Gewicht – das entspricht rund 50 Badewannen à 160 Liter. Verantwortlich für den extrem hohen Verbrauch ist der aufwändige und wasserintensive Anbau von Baumwolle. Klingt umso perverser, wenn man sich in einem Land befindet, in dem man sich nicht mal rund um die Uhr duschen kann.
Nachhaltige Alternativen findet man hier: https://elemente-clemente.de/
Zwei Monatsgehälter für ein T-Shirt
Textilproduktionen und deren Exporte sind der größte Wirtschaftsfaktor im Land. Im Yuka trägt dennoch niemand einheimische Gewänder. Im benachbarten Billionaire Club erst recht nicht. Das einfachste T-Shirt aus der hauseigenen Billionaire-Kollektion kostet 450 Euro. Fast doppelt so viel wie das durchschnittliche tunesische Monatseinkommen.
Die tunesische Lektion: Das Leben ist ungerecht!
Von den Gästen hier will niemand mit dem Boot nach Italien flüchten. Das soeben mit der EU vereinbarte Migrationsabkommen betrifft sie nicht wirklich – außer, dass bestimmt ein Teil der Finanzhilfen in Höhe von einer Milliarden Euro genau in diesem Club ausgegeben werden. Ja, das Leben ist ungerecht. Und ja, es stinkt zum Himmel. Nicht nur für jemand mit kaputter Nase.