Während die faschistischen Wahlerfolge in Europa für Trauerstimmung sorgen, lassen sie im kommunistischen China die Korken knallen. Sie feiern das Duānwǔjié, das Drachenbootfest. Neben dem Neujahrsfest, dem Nationalfeiertag und dem Mondfest, der wichtigste Feiertag des Landes, an dem die meisten Chinesen drei Tage Urlaub (10. bis 12. Juni) haben.
Zum Ursprung der über 2000 Jahre alten Tradition ranken sich unterschiedliche Legenden, zumal das wichtigste Tierkreiszeichen, der Drache, mit im Spiel ist. Die gängigste Legende ist, dass an dem Fest Chinas ältester Dichterpersönlichkeit Qu Yuan (340 v. Chr.) gedacht wird. Qu Yuan, nach dessen Gedicht Tianwen, Himmelsfragen, alle chinesischen Raumfahrtmissionen benannt sind, wurde wegen seiner unpopulären politischen Ansichten einst vom Herrscherhof gejagt. Infolge irrte der Dichter heimatlos durchs Land, bis er sich schließlich das Leben nahm und sich im Fluss Miluo Jiang ertränkte.
Drachenboote hatten der Legende nach vergebens versucht, den Dichter zu retten, weswegen landesweit Drachenbootrennen stattfinden. Die schmucken Boote sind 20 bis 35 Meter lang, können bis zu 500.000 Euro kosten und werden von 20 bis 80 Paddlern angetrieben, die in Zweierreihen mit dem Gesicht zum Bug sitzen. Am Bug sitzt der Trommler, der Herzschlag der Crew, und am Heck steht ein Steuermann mit einem Langruder. In Erinnerung an das tragische Ereignis werden während der Festtage Zongzi verspeist, salzig oder süß gefüllte Reisklößchen, die man damals in den Fluss geworfen haben soll, damit die Fische seinen Leichnam nicht fressen.
Chinas erfolgreichste YouTuberin Li Ziqi zeigt ihren 20 Millionen Followern, wie man Zongzi zubereitet
Emmanuel Macron geht baden
Die Drachenbootrennen haben eine ähnlich lange und rituelle Tradition wie die Olympischen Spiele im antiken Griechenland, wurden aber nie als olympische Disziplin anerkannt. Die Franzosen wollen dem jetzt Rechnung tragen. Da die Pariser Sommerspiele (26.07. – 11.08.) zu großen Teilen auf der Seine ausgetragen wird, sind Drachenbootrennen zumindest als Demonstrationssportart zugelassen. Und falls ein chinesisches Crew-Mitglied ins Wasser fallen sollte, hat er angeblich gute Überlebenschancen. Vor zwei Jahren noch wäre er in Müllbergen versunken und an Fäkalien erstickt. Und keine Reisklößchen dieser Welt hätten die Rattenhorden vom Verzehren seines Leichnams abhalten können. Zwei Jahre und 1,4 Milliarden Euro später soll die Seine dank einer modernen Kläranlage mit extragroßem Rückhaltebecken so sauber sein, dass Bürgermeisterin Anne Hidalgo und Präsident Emanuel Macron dieser Tage darin baden gehen wollen.
Pariser Wasser verleiht Flügel
Generell gilt es, das neue Abwassersystem dennoch nicht überzustrapazieren. Die Hausbootbesitzer und Seine-Anwohner wurden daher angehalten, nicht nur ihr Duschverhalten, sondern auch ihre Notdurft zu reduzieren. Da der Franzose sich vornehmlich von Weißbrot ernährt, dürfte das nicht so schwerfallen. Unbelehrbar sind die Pariser jedoch in Sachen Kokain. Mehrfach hatte das Gesundheitsministerium in der Vergangenheit mit Kampagnen darauf hingewiesen, dass Kokainkonsum nicht gesund, sondern ungesund sei. Vergebens. Die Pariser schnupfen munter weiter. Die Seine gehört zu den kokainverseuchtesten Flüssen Europas, da die Drogenrückstände auch mit modernen Kläranlagen nicht aus dem Urin-Abwasser gefiltert werden können. Man darf daher gespannt sein, ob die Marathonschwimmer und Triathleten womöglich neue Rekorde aufstellen werden.
Netto-Null gilt nur für die Umwelt
Die Euphorie der Pariser ob der anstehenden Spiele hält sich in Grenzen. Nicht wenige flüchten für die Zeit aus der Stadt, die auch ohne Olympische Spiele schon aus allen Nähten platzt. Das Verkehrschaos ist trotz stadtweiter Tempo-30-Zone vorprogrammiert. Man sollte daher besser die Metro nutzen, deren Preise als Anreiz nicht gesenkt, sondern erhöht wurden. Paris halt. Aber bei olympischen Ticket-Preisen von bis zu 2.700 Euro ist das dann auch egal. Die Hotelpreise haben sich natürlich verdoppelt; unter 500 Euro die Nacht ist im Innenstadtbereich nichts zu machen. Und wer von einem schicken Appartement am Seineufer aus die Eröffnungszeremonie verfolgen will, zahlt locker 10.000 Euro fürs Wochenende.
Ja, Paris war noch nie billig. Einfach, weil sie es nicht nötig haben, sich anzubiedern. Warum eines der begehrtesten Reiseziele der Welt olympische PR braucht, erschließt sich mir daher nicht. Vielleicht wollte sich der eitle Macron einfach ein schönes Denkmal setzen, bevor ihn die Faschisten zum Teufel jagen. Ich habe vier Jahre in Paris gelebt und weiß daher, dass das narzisstische Klischee vom selbstverliebten und arroganten Pariser nicht von ungefähr kommt. Dem möchte man jetzt wohl entgegenwirken und nicht nur oberflächlich schön sein, sondern auch hinter der Fassade glänzen. „Legacy and sustainability“ lautet das olympische Versprechen der Franzosen. Sie beabsichtigen die nachhaltigsten Spiele aller Zeiten abliefern. Die CO₂-Ausstöße sollen die „Netto-Null“ erreichen, auf Diesel will man komplett verzichten und nur fünf Prozent der Sportstätten wurden neu gebaut.
Irgendeiner verliert immer
Nur im französischen Überseegebiet Tahiti nahm man es mit der Umwelt nicht so genau. Am Strand von Teahupo’o, wo wegen der spektakulären Wellen der französische Surfwettbewerb stattfindet, hat Paris ein paar Korallenriffe plattgemacht, damit Jury und Kameras von Aluminiumtürmen aus näher am Geschehen dran sind. Wen juckt schon, was ein paar halbwilde Insulaner dazu sagen? Oder was die Clochards, die Obdachlosen, dazu sagen, dass man sie mit Bussen aus Paris raus gekarrt hat, damit die Olympiastadt wirklich „Netto-Null-Sauber“ ist? Die Pariser sicher nicht, Narzissten interessieren sich definitionsgemäß nicht für andere.
Solange es nicht regnet, wird alles gut
Kritik hin oder her, die Pariser Sommerolympiade versprechen die grünsten Spiele aller Zeiten zu werden. Nach den schlechten Umweltbilanzen von Rio und Peking setzt der IOC damit ein wichtiges Signal, auch wenn da im Hintergrund womöglich ganz andere Motivationen im Spiel waren. Rein ästhetisch wird Paris bestimmt auch neue Maßstäbe setzen. Vorausgesetzt es kommt kein Starkregen, denn ab 50.000 Kubikmeter Wasser (20 olympische Pools) droht „la merde“ aus dem neuen Rückhaltebecken in die Seine überzuschwappen. Das wäre dann scheiße.
„Gute Menschen streben nicht nach Macht“
Warum Hollywoodstar John Malkovich mit Politik nichts am Hut hat.
Udo Kier: 80 und kein bisschen leise
Zum Geburtstag von Deutschlands schrägstem Hollywood-Export.
Sterben in Shanghai muss man sich leisten können
Nicht nur das Leben ist teuer in Shanghai.
Brad Pitt: Mit vollem Mund spielt sich besser
Wie man aus Stars Superstars macht. Ein Hollywood-Coach klärt auf.