Harte Zeiten für Porschefahrer. Das Porsche-Bordell in meiner Nachbarschaft wurde dicht gemacht. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Zumindest hat mich keine erreicht. Dabei erreichen mich ständig Vorwarnungen auf meiner chinesischen Mobilnummer. Es wird mehrfach täglich via SMS vor Wind, Sonne, Wasser, Viren, Betrügern und sogar vor Lebensmitteln gewarnt: „Bitte essen sie keine Kaki-Früchte und Bananen auf nüchternen Magen.“
Dass Bananen in Shanghai scheiße schmecken, hatte ich auch alleine herausgefunden. Womöglich haben sie nie die Sonne gesehen und wurden in irgendwelchen unterirdischen Plantagen gezüchtet. Aber gut, was will man erwarten, wenn das Kilo einen Euro kostet? Da mir Bananen im Müsli jedoch sehr wichtig sind, kaufe ich sie im teuersten Einkaufszentrum Shanghais, dem iapm, zum Stückpreis von einem Euro. Sie sind jeden Cent wert, denn sie schmecken vorzüglich.
Mit den Bananen verhält es sich ähnlich wie mit den Huren. Es gibt mehrere schmuddelige Etablissements in meiner Nachbarschaft, deren Mitarbeiterinnen aussehen, als hätten sie auch noch nie die Sonne gesehen. Und es gibt einen Salon, der alles überstrahlt und deren Mitarbeiterinnen sehr appetitlich aussehen. Ich hatte den Laden „Porsche Bordell“ getauft, weil auf dem Gehsteig davor stets Luxuslimousinen parkten. In einem Viertel, in dem sich kaum einer ein Moped leisten kann, fällt sowas auf. Womit wir wahrscheinlich schon beim Grund für die Schließung des Etablissements wären.
Der Sex Code
Man hatte mir den Eintritt ins Porsche Bordell verwehrt. Womöglich weil ich auf dem Moped vorgefahren war. Womöglich hielten sie mich für einen armen Schlucker. Dabei hatte ich ihnen gesagt, dass ich mir die üblichen 798 RMB (100 Euro) natürlich leisten könne. 798 ist der gängige Code für Sex in den Massagesalons von Shanghai.
Prostitution ist verboten in China. Bordelle und Straßenstriche nach westlichem Vorbild gibt es nicht. Die Shanghaier Sexarbeiterinnen bieten ihre Dienste daher gerne in Massagesalons an. Auf den Preislisten der Rezeption wählt man aus, welche Massage man haben möchte: Eine 60-minütige Fußmassage für 150, 60 Minuten Rücken für 200, 60 Minuten Ganzköper für 300 oder 90 Minuten Ganzköper für 450 RMB. Und eben eine 60-minütige Ölmassage für 798 RMB, die ein manuelles Happy End beinhaltet. Ich hatte lange nicht kapiert, warum ich 798 für 60 Minuten zahlen soll, wenn ich 90 Minuten für 450 haben kann. Aber nach mehreren grinsenden und zwinkernden Rezeptionisten, war der Groschen irgendwann gefallen.
„Sorry, aber unsere Damen ficken keine Mopedfahrer!“
Im Porsche Bordell wurde bestimmt mehr als nur ein wenig Handarbeit für 100 Euro angeboten, dafür sahen die CEOs, die ich da rein- und rausspazieren sah, viel zu wichtig aus. Der Schlipsträger am Eingang, der selbst einen Bentley fuhr, war sichtlich bemüht, seine illegalen Aktivitäten vor der neugierigen Langnase zu vertuschen. Ja, er könne mich auch für 798 RMB nicht reinlassen, die Preise seien mit den Damen zu verhandeln und die seien wohl sehr wählerisch und überhaupt sei das wahrscheinlich eh nichts für mich hier usw. usw. Stattdessen empfahl er mir den Friseursalon zwei Häuser weiter, der im zweiten Stock angeblich genau das richtige Programm für mich hätte. Selbstredend, dass dies eines 20-minütigen Übersetzungsmarathons bedurfte.
Im Hinterzimmer des leeren Friseursalons platze ich, nachdem man auf mein Klopfzeichen nicht reagiert hatte, in irgendein konspiratives Treffen. Man ist nicht erfreut, so viel verstehe ich allein schon aufgrund der lautstarken Begrüßung. Ich glaube, es geht um Drogen, zumindest machen die Herrschaften einen sehr ungesunden Eindruck auf mich. Nachdem ich mit ein paar international verständlichen Gesten meine unkeuschen Interessen signalisiert habe, bringt mich schließlich einer der Prallköpfe in den zweiten Stock, um mir besagte Damen vorzustellen, die angeblich besser zu mir passen würden. Das Bild, dass sich mir dort bietet, ist bar jeder Beschreibung. Nur so viel: Es wird wahrscheinlich Monate dauern, bis ich wieder Lust auf Sex haben werde.
Sex, Drugs & VW
Es scheint eine gewisse Korrelation zwischen Sex und Drogen in der Volkswagen Gruppe zu geben. Nicht nur, dass Freier und Zuhälter mit deren Autos durchs absatzschwache China cruisen und Polizisten in E-Passats Drogenhändler jagen, nein, auch Volkswagens hiesiger Marketing Chef Jochen Sengpiehl wurde wegen Drogenkonsums des Landes verwiesen. Er soll während eines Thailandurlaubs gekifft haben und nach Rückkehr am Pekinger Flughafen in einem Bluttest positiv auf THC getestet worden sein. Danach hätte man ihn für zehn Tage eingesperrt und schließlich des Landes verwiesen.
Die Story ist der Schenkelklopfer in der hiesigen Expat-Community. Zum einen, weil Mister VW wohl gerne ein klein wenig großspurig auftrat. Zum anderen, weil die Story einfach absurd klingt. Dass man in China keinen Spaß bei Drogen versteht, ist bekannt. Auch gibt es tatsächlich ein Gesetz, wonach Drogenrückstände im Blut strafbar sind. Bis zu 15 Tage Haft und 600 Euro Bußgeld können bei einem positiven Drogentest ohne Prozess verhängt werden. Die Chance, dass derlei Screenings bei Einreise ins Land angewendet werden, ist sehr gering. Bei einem deutschem Automotive-Manager, der mit einem Sack voll Privilegien ausgestattet ist, liegt die Wahrscheinlichkeit im Promillebereich. Wenn überhaupt. Man darf also gespannt sein, was der Top-Manager wirklich ausgefressen hat.
Aber egal was, solange er tatsächlich Drogen genommen hat, hätte er in China ohnehin keine Zukunft mehr gehabt. Wer hierzulande einmal mit Drogen in Verbindung gebracht wird, der ist für immer verbrannt. Einige chinesische Filmstars, die im Westen von verbotenen Früchten genascht hatten, können ein Lied davon singen. Sie kommen nicht mal mehr am Pförtner eines Fernseh- oder Filmstudios vorbei.
China liegt geografisch zwischen den zwei bedeutendsten Heroin-produzierenden Regionen der Welt: dem „Golden Triangle“ (Burma, Thailand, Laos) und dem „Golden Crescent“ (Afghanistan, Pakistan, Iran). Chinas Rolle als Transitstaat ist daher seit jeher vorprogrammiert. Sogar über die nordkoreanische Grenze kam das Gift einst ins Land. Lange schien es, als ob man in China ein Auge zudrückte, um den Bündnispartner nicht zu verärgern. Gerüchten zufolge soll die nordkoreanische Regierung nämlich fleißig mitverdient haben. Damit ist aber seit 2010 Schluss. China drückt kein Auge mehr zu bei Schmuggel. Die Einfuhr oder der Besitz von 50 Gramm Heroin oder einem Kilogramm Opium wird mit einer Freiheitsstrafe von mindestens sieben Jahren bestraft. Alles, was darüber liegt, kann mit der Todesstrafe geahndet werden.
Shanghai soll sauber bleiben
Bei hedonistischen Westlern hat man wohl schon öfters ein Auge zugedrückt, damit sich die systemrelevanten Expats wohlfühlen im fremden Land. Ja, in Peking berichtete man mir sogar von einem Gentleman-Agreement zwischen Polizei und Afrikanern, wonach diesen angeblich gestattet war, Drogen an Expats zu verkaufen. Selbst mir wurde in Peking Gras angeboten, obgleich ich keinerlei Interesse bekundet hatte. Auch das mit der Prostitution scheint dort lockerer gehandhabt zu werden, zumindest wurde ich mehrfach von Frauen angesprochen.
Generell scheint es überall in der Volksrepublik lasterhafter zu sein als in Shanghai. Der wirtschaftliche Motor des Landes ist wohl zu wichtig, als dass man dort Sodom und Gomorrha tolerieren könnte. Und als es vor ein paar Jahren drohte auszuufern, wurden ein paar Daumenschrauben eingeführt, die das wilde Treiben einschränkten. So wurde z.B. meine drogenaffine Nachbarin zum Haartest gebeten, was wohlgemerkt nicht von ungefähr kam, denn sie wickelte ihre Geschäfte gerne über WeChat ab. Als dieser positiv ausfiel, erklärte man ihr in aller Höflichkeit, dass sie im Wiederholungsfall leider das Land verlassen müsse. Nicht wenige kamen ihren Haartests zuvor und verließen Shanghai.
Das Konzept der Führungsebene ist aufgegangen. Shanghai ist heute sauberer denn je. Man scheint sich daran erinnert zu haben, was einst dabei rauskam, als die Briten während der Kolonialzeit das Volk mit Opium belieferte und es süchtig und somit gefügig machte. Hongkong haben sie dadurch verloren. Shanghai werden sie nicht verlieren.
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