Suzy ist 32 Jahre alt, 1,63 Meter groß, arbeitet bei Siemens in Erlangen, verdient 80.000 Euro im Jahr und besitzt Wohneigentum. Sie ist somit schwer vermittelbar auf dem chinesischen Heiratsmarkt. Frauen sollten nicht erfolgreicher sein als der Mann. Suzys Mama ist deswegen in Sorge, dass die Tochter nicht unter die Haube kommt und bietet sie regelmäßig auf dem Shanghaier Marriage Market an. Suzy hat sie nicht darum gebeten. Der Mutter ist das egal. Sie schickt der Tochter trotzdem regelmäßig Angebote von potentiellen Kandidaten nach Deutschland.
Arrangierte Ehen haben Tradition
Jedes Wochenende treffen sich im Peoples Parc, im Zentrum der Stadt, besorgte Eltern, die ihre Kinder anbieten wie auf einem Flohmarkt. Dicht aneinander gepfercht mit aufgespannten Regenschirmen, auf denen jeweils der Steckbrief des Kindes klebt. Alter, Größe, Job, Einkommen, Ausbildung und Stammbaum sind darauf in der Regel zu finden. Dass Eltern die Ehe der Kinder arrangieren hat eine lange Tradition in China. Früher lebten Männer und Frauen streng voneinander getrennt. Sie durften sich in der Öffentlichkeit nicht zusammen zeigen. Entsprechend schwierig war die Kontaktaufnahme. Ohne Mithilfe der Eltern lief nichts.
„Schönheit vergeht, das Bankkonto nicht.“
Die alten Zeiten scheinen lange vorbei. Im modernen Shanghai treffen sich junge Menschen in Nachtclubs und Karaoke Bars. In jedem Supermarkt steht ein Regal mit Kondomen neben der Kasse. Trotzdem erfährt der Marriage Market seit 2004 eine Renaissance. Auswirkung des Wirtschaftsbooms: Vor lauter Karriere ist die Romantik auf der Strecke geblieben. Männer, die bei Frauen punkten wollen, brauchen ein gutes Einkommen. Der ideale chinesische Mann sollte ein gaofùshuai – gao für groß, fu für reich und shuai für gutaussehend – sein. Alles, was über der männlichen Durchschnittsgröße von 1,67 Metern liegt, gilt somit per se als attraktiv. Wenn es ums Heiraten geht, ist das shuai, die Schönheit, jedoch sekundär, denn: Schönheit vergeht, das Bankkonto nicht! Vor allem die bàijinnü, die Goldgräberinnen, können da sehr gut unterscheiden.
24 Millionen Single-Männer auf Partnersuche
Für Männer ohne Geld funktionieren klassische chinesische Hochzeiten schon deshalb nicht, weil sie für das gemeinsame Heim inklusive Aussteuer sorgen müssen. Es ist ein Wettbewerbsvorteil, wenn ein Mann bereits Wohneigentum vorweisen kann. Außerdem muss er die Hochzeit bezahlen, was in China gerne ein Jahresgehalt verschlingt. Da ist Mann gut beraten sich ins Zeug zu legen. Denn Frauen sind Mangelware. Die Ein-Kind-Politik ist schuld.
Aktuell soll es 24 Millionen Single Männer in China geben, die sich vergebens bemühen eine Familie zu gründen. Die meisten aus ländlichen Regionen mit niedrigem Bildungsstand. Die greifen teilweise zu drastischen Mitteln, um an Frauen zu kommen. Ganze Dorfgemeinschaften legen in entfernten Provinzen zusammen, damit junge Männer sich Ehefrauen in ärmlichen Nachbarländern wie Vietnam einkaufen können. Dort finden sich heiratswillige junge Damen, die, wenn der Preis stimmt, gewillt sind, in ein wirtschaftlich besser situiertes Land zu wechseln.
Frauen in Vietnam kaufen
Nicht alle Vietnamesinnen kommen freiwillig. Es gibt Berichte über Menschenhändler, die Frauen gewaltsam aus vietnamesischen Dörfern verschleppen und sie an chinesische Bauern verkaufen. Die verschulden sich dafür ein Leben lang, ohne zu wissen, dass Menschenhandel strafbar ist. Einer dieser Bauern klagte vor laufender Fernsehkamera, dass ihm seine vietnamesische Frau einfach weggelaufen sei, als er nicht aufpasste. Dabei hätte er doch 10.000 Euro für sie bezahlt. Eine Riesensauerei sei dies. Er sei zu Polizei in die nächste Stadt gefahren, um Anzeige zu erstatten. Sie sollten ihm gefälligst die Frau zurückholen. Oder zumindest sein Geld. Die Beamten hätten ihm dann erklärt, dass er kein Anrecht auf die Frau habe. Jetzt habe er eine Anzeige wegen Sklavenhandels an der Backe und warte auf seine Verhandlung. Der Bauer versteht das nicht. Er war nie zur Schule gegangen. An ihm war der Wirtschaftsboom spurlos vorüber gegangen.
Die moderne Chinesin ist schwer vermittelbar.
Moderne Chinesinnen sind zu emanzipiert
Was dem Bauern an Bildung fehlt, hat die moderne Chinesin im Überfluss. Gute Schulen mit profunder Ausbildung und Top-Universitäten, nicht selten Auslandstudium, haben dazu geführt, dass viele Chinesinnen zu gebildet sind für den klassischen chinesischen Mann. Sie verfolgen eigene Karrieren und haben es nicht eilig mit dem Heiraten. Das Studium soll sich schließlich bezahlt machen. Das landesweite Durchschnittsalter bei Eheschließung liegt bei Frauen bei 22 Jahren, bei Männern bei 24 Jahren. Die akademische Großstadtchinesin schert sich jedoch nicht um landesweiten Durchschnitt.
Frauen haben mehr Macht, als das im alten, männlich dominierten, China üblich war. Sie haben gelernt über den Tellerrand hinauszuschauen. Wohlhabende Ehemänner sind zwar immer noch sehr willkommen, aber Charakter und romantische Fürsorge sind plötzlich viel wichtiger als früher. Eine Entwicklung, der, der chinesische Mann versucht Rechnung zu tragen.
Flirt-Coaches machen die Männer fit für die neue Frauenwelt
Thomas, 30, hat sich professionelle Hilfe geholt. Thomas ist schüchtern. Noch nie hatte er erfolgreich eine Frau angesprochen. Nicht mal mit den Frauen, die ihm seine Eltern vorgestellt hatten, hatte es geklappt. Das soll sich jetzt ändern. Thomas nimmt die Dienste der Banpei Love Academy in Anspruch, wo Männer, unweit des People Parcs, für die neue anspruchsvolle Frauenwelt fit gemacht werden. Im Einzelcoaching wird Thomas beigebracht, seine Schüchternheit zu überwinden. Dazu gehören Körperhaltung, Atemübungen und Style-Beratung genauso wie die Hausaufgabe, eine Frau pro Woche anzusprechen und zum Date zu bitten, das infolge dann mit seiner Therapeutin analysiert wird. 12.000 Euro lässt Thomas sich das kosten. Das Coaching endet erst wenn er unter der Haube ist.
Die Agentur erfreut sich regen Zulaufs. Das hätten sie der Ein-Kind-Generation zu danken, die etwas zu egoistisch aufgewachsen sei. Die Einzelkinder seien es gewohnt, dass sich alles nur um sie drehe. Die Generation sei daher zu eigensüchtig und nicht empathisch genug, um sich mit Partnern auseinanderzusetzen, wie die Agentur erklärt.
Der Marriage Market im Video
„Kann sie gut kochen?“
Die Eltern am Marriage Market scheren sich nicht um derlei soziologische Analysen. Sie hätten am liebsten, dass alles so bleibt, wie es immer war.
„Ist deine Tochter eine gute Köchin?“ „Ja, sie kocht sehr gut.“ „Was ist ihre Spezialität?“ „Sie bereitet sehr gute Nudelgerichte.“ „Ah, das ist nicht gut, mein Sohn mag keine Nudeln. Er isst nur Reis.“ „Kein Problem, meine Tochter bekommt auch das hin.“ „Sicher? Es ist wichtig, dass mein Sohn gut verpflegt wird.“
„Ist dein Sohn fleißig?“
„Ist dein Sohn fleißig? Verdient er gut?“ „Ja, sehr fleißig. Er macht fast 30.000 im Jahr.“ „Hat er eine Wohnung, wo die beiden wohnen können?“ „Nein, bisher nicht.“ „Das ist schlecht. Wo sollen die beiden dann wohnen?“ „Wir kümmern uns darum. Zur Hochzeit werden wir ihnen eine Wohnung besorgen.“ „Wie groß?“ „Eine Zweizimmer-Wohnung.“ „Das ist zu klein. Da ist kein Platz für Kinder.“ „Gut, wir können vielleicht auch eine größere Wohnung finden.“ „Das muss gesichert sein, sonst kommen wir nicht zusammen.“ „Gut, versprochen.“ „Ok, dann haben wir einen Deal!“
Frank hatte noch nie Sex
Frank hat kein Glück in der Liebe. Frank hatte noch nie eine Freundin gehabt. Frank hatte auch noch nie Sex. Frank ist Jungfrau. Mit 42 Jahren. Womöglich hat es damit zu tun, dass er diesen keuschen Status so freimütig und ungefragt mit wildfremden Menschen teilt. Womöglich hat es damit zu tun, dass Frank etwas seltsam dreinschaut. Ganz bestimmt hat es damit zu tun, dass Frank sich selber auf dem Markt anbietet. Das macht sonst niemand. Weder Frau noch Mann. Der Marriage Market ist eine Erfindung von verzweifelten Eltern.
„Ich habe keine Eltern mehr. Sie sind beide verstorben. Ich habe nicht mal Verwandte, die mir eine Ehe arrangieren können. Deswegen muss ich mich selber um mein Glück kümmern.“ Die Verzweiflung steht dem armen Kerl ins Gesicht geschrieben.
„Keine Drogen, kein Alkohol und kein Glücksspiel!“
Die Ansprüche des Kochs, der im Monat 700 Euro verdient, sind trotzdem hoch. Zwischen 20 und 36 Jahre alt sollte seine Zukünftige sein, steht auf seinem Schirm geschrieben. Ferner solle sie keinen Alkohol trinken, keine Drogen nehmen und auch nicht dem Glücksspiel verfallen sein. Dafür sollte sie fleißig im Haushalt, loyal und kinderfreundlich sein. Ja, Frank sei sogar gewillt eine Ausländerin zu akzeptieren, wie er mir erklärt. Deswegen hat Frank auch eine englisch sprachiges Werbeschild dabei, das er sobald Ausländerinnen vorbeilaufen, stolz in die Höhe hält. Frank ist zuversichtlich, dass es irgendwann klappen wird, wenn er nur genug Geduld hat.
„Ich gebe nicht auf, ich will nicht alleine alt werden. Ich bin ein guter Koch. Eine Frau hätte es gut bei mir. Meine Ente ist vorzüglich. Vielleicht kannst du mir eine deutsche Frau finden.“ Ich verspreche Frank, dass ich mein Bestes geben werde. Interessenten können sich gerne bei mir melden.