Wann denn seine Bank zum letzten Mal überfallen worden sei, will ich von meinem Banker wissen. Wie, überfallen?Er verstand mich nicht. Ja, ausgeraubt halt.Was ich denn damit meine?Ja, Gangster halt, Pistolen, Mafia und so. Bähm. Bähm.Jetzt hatte er kapiert und fing sofort zu lachen an. Er übersetzte seinen Kollegen meine Frage und plötzlich lachte die ganze Bank. No, no.Sowas gäbe es hier nicht. Hierzulande überfalle man keine Banken. Ich hatte schon vermutet, dass das hier nicht üblich ist, wollte aber Bestätigung. Selten habe ich mich irgendwo sicherer gefühlt. Und das hat nichts mit der Allgegenwärtigen Präsenz von Sicherheitspersonal zutun. Die gutmütigen älteren Herren, die meine Bank bewachen, könnte sogar ich womöglich überwältigen.
Die uniformierten Teenager, die an den Sicherheitsschleusen der U-Bahn-Stationen postiert sind, schlafen meist im Stehen. Ob die Taschen, die durch ihre Röntgengeräte laufen, Waffen oder Bomben enthalten, würden sie gar nicht mitbekommen. Kein Mensch nimmt das hiesige Security-Gedöns ernst. Warum auch? Es passiert anscheinend eh nie was. Nicht mal Taschendiebe scheint es zu geben. Egal wo ich bin, ich lasse mein iPhone oder MacBook getrost auf dem Tisch liegen, wenn ich zur Toilette gehe. Gestern habe ich den ganzen Nachmittag mit einer Fotografin in einem historischen Hutong geshootet, während wir unser Equipment in einer kleinen Gasse abgestellt hatten. Kein Problem. Es scheint, als sei ihnen jegliche kriminelle Energie fremd.
Mima, eine chinesische Sifi-Bestsellerautorin (Bestseller fangen in China bei 500.000 an), erklärt es mir.
„Warum sollte hier jemand eine Bank überfallen? Wir benutzen alle kein Bargeld. Alles läuft über WeChat Pay. Ich besitze nicht mal einen Geldbeutel. Und falls wirklich jemand irgendwo große Mengen Geld klauen würde, könnte er es gar nicht an den Mann bringen. Viel zu auffällig. Autos klauen bringt auch nichts. Die sind alle elektronisch gesichert und der Straßenverkehr ist komplett videoüberwacht.“Soweit zu den Vorteilen eines vermeintlichen Überwachungsstaates. Überwacht oder kontrolliert fühle ich mich trotzdem nicht. Es wirkt alles wie eine große Show.
Wenn ich von Chinesen gefragt werde, was man denn von ihnen so in Deutschland halte und ich ihnen erkläre, dass sie dort nicht gerade einen Popularitätswettbewerb gewinnen würden, sind sie stets enttäuscht. Deutschland steht bei ihnen im Ranking von vorbildhaften Westkulturen nämlich ganz oben. Allein schon, weil wir so fleißig und erfolgreich wären. Außerdem seien wir viel seriöser als die anderen. Sprich wir verkörpern ganz viel von dem, was der Chinese selber so anstrebt.
Und dass ausgerechnet wir sie trotzdem nicht so toll finden, können sie nur schwer nachvollziehen. Ich erkläre ihnen dann, dass das mit dem unterschiedlichen Demokratieverständnis zu tun habe und zitiere ein wenig aus unserer Propagandamaschine. Der größte Schenkelklopfer ist die Story, dass man hierzulande angeblich vom Staat Minuspunkte für Regelverstöße im Straßen- und Sozialverkehr bekäme. Medienberichten zufolge hätte man Probleme, eine Wohnung oder auch Arbeit zu finden, wenn man regelmäßig auch nur rote Fußgängerampeln ignoriere, erzähle ich ihnen.
„Wenn das stimmen würde, wäre die Hälfte von uns obdach- und arbeitslos.“Die Story sorgt regelmäßig für großes Gelächter. Dabei laufen derlei Versuche in der Provinz Xinjiang schon länger. Dass man das System auf eine 22 Millionen-Metropole wie Peking übertragen kann, wage ich zu bezweifeln. Tatsächlich hält man sich hier zwar etwas mehr an Regeln, als im Rest von Asien, aber trotzdem riskiere ich beim Überqueren von grünen Fußgängerampeln regelmäßig überfahren zu werden.
Katzen sind beliebte Glücksbringer
Und Hunde oder gar Katzen essen sie natürlich auch nicht. In einigen südlichen Provinzen soll es das angeblich geben, aber in Peking ist das unvorstellbar. Sie lieben Haustiere. Insbesondere Katzen, die als Glücksbringer gelten. Jede zweite Frau posiert in ihrem WeChat-Profil mit einer Katze auf dem Arm. Tinder braucht’s hier nicht. Kontaktaufnahme funktioniert über WeChat, wie so ziemlich alles in China.
Ein Leben ohne Smartphone ist hier nicht vorstellbar. Obgleich viele internationale Anbieter, wie facebook, Instagram oder Google geblockt sind, gibt es genug nationale virtuelle Bespaßung. Wer dennoch gen Westen schielen möchte, muss sich einen VPN (Virtual Private Network) installieren.
Der VPN (idealerweise von ASTRILL) leitet jegliche Netzrecherchen anonym über ausländische Server weiter und ermöglicht so Zugang zu Netflix & Co.. Er muss zwar außerhalb Chinas installiert werden, damit er funktioniert, aber erstaunlich viele Chinesen haben einen. „Wo ein Wille, da ein Weg“, erklärt man mir. „Wir sind es gewohnt, tricksen zu müssen. Aber wir vermissen nichts.“Ich auch nicht.