Zum heutigen Vatertag hier mal die schönste aller Nachrichten: Ich habe eine Tochter bekommen. Sie heißt Marie. Sie ist bereits vier Wochen alt. Marie ist gesund und munter und natürlich ist sie wunderschön.
Genau genommen ist Marie nur meine Schwiegertochter. Aber egal. Es fühlt sich trotzdem an, als hätte ich Nachwuchs bekommen. Mein Sohn hat geheiratet. Mitten in der Krise. Das wäre in Nicht-Quarantäne-Zeiten schon Grund genug gewesen, um die Krise zu bekommen, aber da wir zu diesem Zweck ein paar Corona-Regeln großzügig neu bewertet hatten, war ich emotional zu aufgewühlt gewesen, um das Erlebte zeitgleich niederzuschreiben.
Es ging damit los, dass Luca mich vor ein paar Wochen aus seiner Pfälzer Heimat anrief und mich damit überraschte, dass er in vier Tagen heiraten wolle. Wo genau sei noch nicht so ganz klar, da seine Braut mit zwei Dutzend Standesämtern in verschiedenen Regionen in Verhandlung stünde, aber er sei zuversichtlich, dass sein Schatz das irgendwie geregelt bekäme. Aber egal wo oder wann, mein Job wäre es, in 30 Minuten die nötigen Unterlagen vom Münchner Standesbeamten abzuholen. Seine Verlobte hatte selbigen aus dem Homeoffice gelockt und ihn irgendwie zu einer konspirativen Übergabe an einer Ampelkreuzung überredet.
Fahrerflucht
Nach wochenlanger sozialer Isolation war das ein klein wenig zu viel Adrenalin für mich. Beim Ausparken vor meiner Haustür ramme ich den PKW vor mir und begehe notgedrungen Fahrerflucht, da die Uhr gegen mich läuft. Unter Missachtung ein paar weiterer Verkehrsregeln erreiche ich schließlich den netten Standesbeamten, der freut sich, schüttelt mir die Hand, wünscht mir und meinem Kind alles Gute. Die Hand desinfiziere ich in Folge natürlich und rase schnell wieder nach Hause, in der Hoffnung, dass meine Fahrerflucht noch nicht zur Anzeige gebracht wurde.
Auf halber Strecke wieder mein Sohn am Telefon, der mir erklärt, ich müsse die Unterlagen sofort zu Post bringen. Am Postamt angekommen, bekomme ich die Order dort auszuharren, da die Zieladresse des Standesamtes noch nicht klar sei. Nach knapp zweistündiger Wartezeit, in der ich mich von meinem Führerschein innerlich schon verabschiedet hatte, schließlich die Adresse von irgendeinem Provinz-Standesamt in der Nähe von Stuttgart.
Panik macht sich breit
Meine Laune sinkt. Ausgerechnet im Wutbürger-Ländle, wo denunzieren, laut MP Winfried Kretschmann, als Fürsorge oder auch Nächstenliebe gilt, wollte mein Sohn eine Hochzeitsfeier mit viel zu vielen Gästen ausrichten. Egal, ab nach Hause, den Führerschein retten. Hatte zum Glück noch keiner bemerkt. Die nette Streifenpolizistin, die meine Selbstanzeige aufnimmt, lobt mich für mein vorbildhaftes Verhalten. Klar, ist doch Ehrensache sage ich, ich verstoße schließlich nicht gegen Gesetze.
Nächster Schock: Mein Sohn bittet mich seinen Trauzeugen im Auto mitzunehmen. Der junge Mann ist zwar ein echt netter Kerl, aber halt auch so nett, dass sich die Mädels bei ihm die Klinke in die Hand geben. Keine Ahnung wie er das die letzten Wochen mit Social Distancing gehandhabt hatte. Als er mir im Telefonat auch noch voller Stolz erklärt, dass er trotz Corona gerade diese total süße Schnitte kennengelernt hätte, steht fest, dass Casanova Zug fahren muss.
Albtraum Schwaben
Eine Autofahrt durch die schwäbische Pampa ist auch so schon traumatisch genug. Vorbei an all den potentiellen Denunzianten, die sich fürsorglich mein Münchner Kennzeichen aufschreiben und natürlich auch vorbei an ein paar Impfgegnern und 5G-Protestlern, ja, die Schwaben verlieren auch in Corona-Zeiten das Wesentliche nicht aus dem Auge. Man könnte meinen, der Herrgott habe die Schwaben als Allerletztes erschaffen. Er hatte am Ende seines Schöpfungsprozesses keine Kraft mehr fürs Feintuning gehabt, wollte endlich Feierabend machen, hatte ihnen ein paar Säcke Mehl hingestellt, und ihnen befohlen damit klarzukommen und ihn bitte in Ruhe zu lassen.
Die Schwaben
Die Wutbürger
Seitdem sind die Schwaben wütend. Vielleicht auch, weil ihnen der Schöpfer außer Spätzle nicht viel beschert hat. Natürlich hat so ein Land mehr Radarkontrollen als Ampelkreuzungen. Das ist mir zwar bekannt, schließlich war ich mal mit einer Schwäbin verheiratet, aber trotzdem hat es mich 500 Meter vom Ziel erwischt. Mit 50 durch die 30er Zone, laut neuem Bußgeldkatalog ist damit der Führerschein dann doch noch für einen Monat weg. Egal, das Kind heiratet, da muss man Opfer bringen.
Trauung in Zeiten von Corona
Happy End auf dem Standesamt
Auch das Opfer, anzuerkennen, dass das Familienwohl wichtiger als mein Blog ist, weswegen ich mich mit weiteren Details zurückhalten muss, da ich sonst fürchten muss von allen zukünftigen Festivitäten ausgeschlossen zu werden.
Nur soviel: Vor dem Begrüßungssekt wurde bei jedem Fieber gemessen. Die Gläser waren infolge zwei Tage lang nie leer, da Lucas Schwiegereltern Winzer sind. Omas und Opas, sowie ausländische Angehörige feierten per Video-Schaltung mit. Da meine Ex-Frau Modedesignerin ist, gab es schicke Corona-Masken fürs Standesamt. Die schwäbische Standesbeamtin war dann auch gar nicht wütend, sondern erlaubte den Eltern der Trauung beizuwohnen. Zum Hochzeitsmahl gab’s natürlich Spätzle, klar, was sonst. Grenzte eh an ein Wunder, dass mein Sohn einen Caterer aufgetrieben hatte, der damit einiges riskiert hatte.
Als Vater hatte ich nur eine Regel: Keine Regeln!
Ja, mein Sohn beherrscht die Kunst, Menschen zu überreden. Ich kann ein Lied davon singen. Geht nicht gibt’s nicht, ist seit Kindesbeinen sein Mantra. Kein Wunder, dass er heute beruflich sehr erfolgreich ist. Ich spreche dennoch nicht gerne von Vaterstolz, da mir da zu viel Ego mitschwingt, zumal der Löwenanteil an seiner Erziehung andere übernommen hatten. Als Scheidungskind, war ich immer eher der durchgeknallte Rock ‘n‘ Roll-Dad gewesen, der für die Wochenend- und Ferienbespaßung zuständig gewesen war und bei dem es nur eine Regel gab: Keine Regeln!
Er hat sich an dem vielen Unfug, den ich ihm vorgelebt habe Gott sei Dank kein Beispiel genommen und sich zu einem wunderbaren Menschen entwickelt und mich zum Schwiegervater einer liebreizenden Pfälzer Sektkönigin gemacht. Danke dafür und danke, dass ich dein Vater sein darf, lieber Luca!